Alexander Brehm übergibt den Jungs die Küken.
Bildrechte: BR/Isabel Pogner

Alexander Brehm beringt zusammen mit den Jungs Paul und Georg Platte Uhu-Küken.

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Vogelschutz zum Anfassen: Wie Uhus ihren Ring bekommen

Vögel lassen sich am besten schützen, wenn man viel über sie weiß. Deshalb beringt Alexander Brehm vom LBV in Franken viele Uhus. Die Kinder Paul und Georg dürfen ihn diesmal begleiten.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Die drei Uhu-Küken, die sich in einem Horst in der Fränkischen Schweiz aneinander kuscheln, klackern wild und reißen die Augen weit auf. Sie haben noch nie vorher einen Menschen aus der Nähe gesehen, jetzt fasst Alexander Brehm sie sogar an und zieht sie aus dem Nest. Der Grund: Der Uhu-Experte des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) will dem Nachwuchs Ringe an die Krallenknöchel anbringen.

Die Uhu-Familie lebt im Revier von Forstbetriebsleiter Arndt Platte in der Nähe von Gößweinstein im Landkreis Forchheim. Der sieht bei der Beringung gerne zu und hat seine Söhne Paul und Georg mitgebracht. Sie sollen Brehm beim Beringen helfen. Die Kinder halten die Tiere fest, Brehm klippst die Metallringe um die Uhu-Beine. Doch dafür müssen die drei erst einmal den moosüberzogenen Felsen hinaufklettern.

Fast 100 Jahre Uhu-Schutz

Familie Platte hat Klettergurte mit dabei. Während die Kinder in die Ausrüstung schlüpfen, erklärt Brehm: "In den 1920er Jahren war der Uhu fast ausgerottet." Die Menschen hätten ihre Jagdkonkurrenten damals verfolgt, die Gelege ausgenommen und die erwachsenen Tiere erschossen. Dafür gab es sogar Prämien. Ein paar Jahre später bemerkten die Menschen, dass es fast keine Uhus mehr gab, "und bei uns hat man dann mit der Bestandserfassung begonnen". Schon in den 1930er Jahren wurden die ersten Uhus in der Fränkischen Schweiz beringt.

Die Maßnahme mache aus mehreren Gründen Sinn, sagt Brehm: "Hauptsächlich, weil wir die Bewegungen der Tiere verfolgen können, wenn wir sie wiederfinden." Dann können die Naturschützer ermitteln, wo die Tiere gerne brüten und im Zweifelsfall auch nachhelfen, um Uhu-Brutplätze zu schaffen. "Da nehm ich auch gern mal ein paar Bäume raus, damit die Vögel gute Einflugschneisen haben", sagt Platte. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Parteien wie Vogelschützern, Förstern und Ämtern laufe gut.

Uhus für Menschen nicht gefährlich

Die Zusammenarbeit mit den Jungs auch. Brehm klettert den Felsen hoch, legt das Sicherungs-Seil, wirft das Ende herunter und Paul und Georg klettern hinterher. Auf einer kleinen Plattform treffen sich die drei wieder. Brehm packt seinen Rucksack aus und fördert Ringe und Zange zutage.

Ein paar Dinge muss Brehm bei der Beringung beachten. Über die Elterntiere muss er sich keine Sorgen machen. Zwar sind Uhus mit einer Spannweite von bis zu 180 Zentimetern die größten Eulenvögel in Deutschland, aggressiv gegenüber Menschen sind sie aber nicht. "Die Mutter sitzt vermutlich in irgendeiner Buche und beobachtet uns", sagt Brehm. Wichtig sei aber zu prüfen, ob die Küken die richtige Größe haben. Sind sie zu alt, könnten sie vor Aufregung aus dem Horst springen. Sind sie zu jung, sitzt der Ring nicht gut. Er könnte abfallen, oder – noch schlimmer – sich so verhaken, dass sich die Tiere verletzen, wenn sie weiter wachsen.

Viel Futter verspricht Bruterfolg

Ob alles passt, sieht Brehm auf den ersten Blick. Er hat Erfahrung, schließlich gibt es in der Fränkischen Schweiz ungefähr 120 registrierte Uhu-Paare. Eine gute Zahl, beobachten muss man sie aber trotzdem. Denn Uhus brüten nicht automatisch jedes Jahr, sondern nur, wenn die Umstände passen. Wenn also zum Beispiel genug Mäuse, Igel oder Krähen in der Nähe ihres Horsts leben. Weite Strecken, um Beute zu jagen, fliegen die Uhus nämlich nicht. Vom Futter hängt auch ihr Bruterfolg ab: Wenn es zum Beispiel durch starken Regen auf einmal weniger Mäuse gibt, überleben die Küken womöglich nicht. Besonders die, die zuletzt schlüpfen, haben oft schlechte Chancen.

Kinder für Vogelschutz begeistern

"Das könnte auch dem hier drohen", sagt Brehm. Er krabbelt vorsichtig vom Horst zu den Jungs und drückt Paul das kleinste Küken in die Hand. Georg hält das Größte, der Unterschied ist beachtlich. "Hoffentlich kommt der durch", flüstert Paul und krault den weichen Flaum am Küken-Bauch. Die Vögel sind so groß wie Kaninchen und liegen schicksalsergeben auf ihrem Rücken. Die beiden Jungs lächeln und erkunden vorsichtig die Küken. "Der hat sogar schon kleine Öhrchen", sagt Georg. "Wie süß!"

Brehm nimmt öfter Kinder mit in die Natur. Vogelschutz funktioniere am besten dann, wenn die Menschen einen Bezug zu den Tieren entwickeln, sagt er: "Wenn sie die Tiere einmal selbst in der Hand halten und spüren, wie sie atmen und welchen Respekt sie haben."

Tipp: Uhus einfach sitzen lassen

Begeistert sind die Jungs. Als Erinnerung an ihr Abenteuer nehmen sie sich noch eine Uhu-Feder mit, die im Nest lag. Die Tiere mit bloßen Händen zu berühren, ist übrigens kein Problem, sagt Brehm. "Dass man Vögel nicht anfassen darf, weil die Eltern sie sonst nicht wieder annehmen, ist ein Irrglaube", erklärt er. Das sei bei Rehen so. Die meisten Vögel hätten allerdings keinen Geruchssinn.

Kleine Küken, die vermeintlich im Wald alleine sitze, sollte man aber dennoch nicht anfassen, erklärt Brehm und bittet Paul und Georg: "Wenn ihr mal einen jungen Uhu im Wald sitzen seht, lasst ihn dort. Die Eltern sitzen bestimmt irgendwo in einem Baum, beobachten euch und hoffen, dass ihr schnell wieder geht." Die Eltern versorgen die Jungen so lange, bis sie sich komplett alleine zurechtfinden. Zehn Wochen lang, werden sie von den Eltern "geführt", sagt Brehm. Im September löst sich der Familienverband dann auf.

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